die sicht

beim durchsehen angefangener, verworfener und zerrissener blätter fallen die farbflächen von oben nach unten durch den stapel, legen sich die ins abstrakte formulierbaren, diese mit adjektiven überhäuften und fast schon beim namen aufrufbaren stücke aus einzelnen bildern im kopf ab, als könne man das jetzt herumtragen, raus ans licht damit, als liesse sich durch dieses benennen und erzählen frei darüber verfügen, jederzeit und in egal welcher reihenfolge. was aber am bild klebt, was sich nicht freimachen kann, um mal den gedanklichen wechsel von einer komposition zur nächsten zu schaffen, bleibt gleich ganz oben auf dem haufen und muss später wieder auf den boden, wasser drauf und zurück in die bearbeitungsschleife. gähner nennt das so: “ nicht die in sich verfestigte komposition, das verzahnte ist das richtige, sondern eine festigkeit, die genau darin besteht, das sich alle teile frei bewegen können, weil sie schon ihren richtigen ort gefunden haben, an den sie sich jederzeit wieder zurückdenken können.“ aufgabe des malens müsse es sein, diese permanent angesteuerte richtigkeit zwar zu halten, das bild aber  nicht „abzurichten“. etwas richtig zu malen sei ja nicht das problem, aber diese zu allem überdruss noch derart sprunghafte freiheit  zu ermöglichen sei und bleibe vielmehr die herausforderung.

werk

dann kommt wieder der tag, an dem notizen zum von einem selbst verwendeten material an der reihe sind. sitzen, glotzen, notieren, fragen, bleiben. warum z.b. blätter lochen? was hat es mit der form der ausgestanzten miniaturflächen auf sich? werden diese löcher innerhalb der fläche sofort zu blumen, zu sternen, zu einer pünktchenmenge, die den rahmen des formellen verlässt, um sich in der komposition bildhaft einzugliedern und blumige beschreibungen anzukurbeln? wie stehen diese lichtpunkte zur wasserfarbe, die einem nicht erlaubt, in der pastosen suppe zu wühlen, um selbst in der monochromen fläche kontraste zu fangen, die sich an licht und schatten hängen? trägt man mit jedem malgrund schon bedingungen der bearbeitung wie reissen, lochen, falten, kleben o.ä. mit ins atelier? und muss das dann als logik mit ins bild?

gähner zitiert: „die wasserfarbe muss sich im moment des auftrags komplett auf ihren farbwert, auf ihren grad an verdünnung und den kontrast zum schon gemalten verlassen können“. und ergänzt:  „um nicht gleich mit überlagerungen an farbrändern das zuvor noch als abgrenzung gedachte in schwammigkeiten weglaufen zu sehen.“

tatsache ist, dass genau das  w a s s e r, das einem zuvor schon so oft die fläche geputzt und aus der patsche geholfen hat, hier  den grosszügigen umgang mit den in den pinsel gesaugten farbmengen fördert, dass sich das zitierte verlassen-können aber nur in kleinstmengen abspielen kann, anfänglich zumindest, weil der prozess des malens das grosse vielleicht will, aber einfach noch nicht beherrscht! keine miniaturkleckse, kein 50×70, kein zärtliches stircheln, einfache mal gas! – so tönt es aus den wilden farbmengen. aber zugleich zögert man hier an einigen zentimetern mehr und macht sich dort um diesen oder jenen meter zu viele gedanken. zu oft verspielt man den indealmoment des überdenkens dessen, was man da eigentlich tut, weil man zu lange damit beschäftigt ist, was passieren könnte, ohne davon die kleinste ahnung zu haben! zu oft erblindet man vor lauter vorsicht im moment der durch den eigenen willen und das material vorgegebenen und gleichzeitig von beiden vorangetriebenen, offensichtlichen brutalität einer unmittelbaren gleichzeitig- und wertigkeit des sichtbaren, das sich vor einem pausenlos verändert bzw. von einem selbst verändert wird. und genau deshalb versucht man, kontinuierlich zu arbeiten, die sachen nicht aus den augen zu verlieren, die abstände kurz zu halten. malen, um ans denken zu kommen…

ferienende

zurück aus irland, aus 3 wochen wind, wellen, durchlöcherten wiesen und von der landschaft verzogenen strassen, auf denen grasnarben unter die räder kommen. gähner, die faule mischung aus pseudonym und ehrlicher antwort, freute sich riesig, als wir wieder vor der tür standen, im atelier war es das gleiche. nur ist – was hier in der wohnung das aufräumen und auseinanderpuzzeln des urlaubsmaterials ist – dort stets die leere des auf einen wartenden. man weiss nicht, wie dieses etwas heisst oder wer da wohnt. aber man weiss, dass gewartet wird, bis man wieder mit der arbeit anfängt. spinnweben und feuchte wände wären nur eine variante des zurückgelassenen raumes, leere köpfe und schlechte augen eine zweite. gähner konnte sich nicht zurückhalten und verbrachte die ersten tage hier wie ein moderator einer quizshow, immer am fragen, immer am erwartungsvoll schauen, immer in voller montur, leicht nahm er das ganze nicht. er war nicht derjenige, der wartete, aber der zurückgelassene raum setzte auch ihm zu. also musste er so tun, als gäbe es etwas zu erledigen. seit ein paar tagen sind nun die farben wieder offen, kompressoröl nachgefüllt, das erste herbstlaub weggeschaufelt und die sonne im tiefflug. und was wäre das alles ohne holy other.