nah + sick

während der eine sich zwischen sauerkirschmarmeladebroten durch minecraft-würfel schaufelt, sitzt der andere, an aufgestapelte kissen gelehnt, noch halb benommen im traum, in dem ihm, ein auge bereits offen, durch ein schwaches licht der strassenlaterne die falten des roten zimmervorhanges in die schattenlinien von frisch aufragenden weidenruten geleuchtet wurden, bis zu tagesanbruch noch verfügbar, dann mit etwas weniger erkältung im kopf nicht oder nie mehr zu sehen. die grippewelle schiebt sich durchs land, das winterende setzt die atemmaske auf und die japanische apothekerin – kaum zu verstehen in ihrem extrem hohen gesang – erzählt, was es mit nasic auf sich hat im gegensatz zu den anderen sachen hinter ihr hoch oben im notenregal der fernöstlichen lieder aus nase frei und husten leichter.

energieflocken

spaziergang im winterwald. die temperaturen steigen über null, der schnnee fängt an zu kleben, die wanderstiefelspuren der spaziergänger werden überdeutlich und der wind klopft die weissen hauffen von den tannen, die hoch oben auf den ausgespannten grünteilen schaukeln. ein vater wirft stöcke in den himmel und versucht, seine töchter mit kleinen schneelavinen zu begeistern, die aus dem astgefüllten himmelszelt quer über den wanderweg fliegen. die gischt des aufgewirbelten schnees fliegt wie eine brise nasenspray durch den hohlweg und die sonne zieht sich noch ein letztes mal die langen unterhosen an für ein paar kurven im unterholz zweier dicht bewachsener anhöhen, die in einer talsohle ein haus hinter einem dieser – mit satteldach überbauten – rechtecke verstecken, die strommast und endstation zugleich sind: zu klein für ein haus, zu gross für eine säule. einsamkeitsmarkierung, resterampe energie und aufhänger für alles, was dann noch folgt, weiter hinten, immter weiter und weiter „ab vom schuss“, wo der winter fast in jedem jahr sein versprechen hält.

hollandsnapf

ein mann steht neben einem berg aus leeren kartons: verpackung von kinderwägen, -sitzen, -kleidern. erst fliegen die styroporteile in die extragrosse recyclingtüte, dann wandert alles plastik in einen behälter neben dem warenausgabetor, schliesslich werden die kartons zerlegt, flachgetreten und in den neben dem rolltor geparkten container geschichtet. da tauchen 3 kartons der fa. joolz auf, die – mit schnittmustern versehen – nach dem prinzip des ausschneidens gemäss einer vorgegebenen, gestrichelten linie das zusammenbauen von karktonteilen zu einem stuhl, einem vogelhaus etc. ermöglichen. die ausgeschnittenen teile werden zusammengesteckt und ergeben eine stabile konstruktion. der mann zögert. schablonen für den müll? eher nicht. die entsorgung passiert direkt nebem dem parkplatz einer fressnapf-filiale, es ist samstag nachmittag, familienkutschen rollen im sekundentakt an. warum diese kartons also nicht verschenken, eine familie ansprechen und für den rest des wochenendes bastelspass verabreichen? tatsächlich parkt ein paar augenblicke später ein weisser kombi auf dem parkplatz, aus dem frau, mann und kind, somit vielleicht mutti, papi und sohn klettern, das alles ohne hektik, der hund im kofferraumgefängnis kläfft nicht, die situation könnte unentspannter sein – das hat man auch schon anders gesehen, denkt der mann und fragt die vermeindliche mutter zusammen mit ihrem sohn, ob sie denn nicht lust hätten, also, er hätte hier etwas von dieser holländischen edelmarke zu verschenken, eigentlich ganz toll das alles, aber er müsse dies normalerweise entsorgen, na ja, wenn sie es wollten, könnte er das auch neben dem container platzieren, später abholen wäre kein problem. die mutter wirkt wenig überrascht, umso mehr aber teilnahmslos, den mann interresiert die sache erst gar nicht. „ach ja“ meint sie dann, „in holland habe ich auch schon ganz tolle sachen gekauft, da gibt es wirklich schöne sachen zu kaufen“. dass es im moment aber weder ums kaufen noch um erfolgserlebnisse der mutter geht, scheint hier niemand zu verstehen. der sohn kriecht langsam aus der ersten überrumpelung und sieht sich die kartons näher an. er sagt zunächst kein wort, traut sich dann aber doch, etwas zu sa-… und schon ist mutti da mit ihren einwänden aus: gerade jetzt etwas ungünstig und wir wollten erst mit dem hund eine stunde laufen und überhaupt. die unterhaltung endet in der abmachung, dass die kartons neben dem container bleiben und später abgeholt werden, vielleicht, zumindest und wenn nicht alle dann vielleicht das vogelhaus, es müssen ja nicht alle sein, das vogelhaus wäre doch aber schon ganz schön, auf alle fälle kö-… und da ist sie wieder, die chefin der abteilung einwände.
ein paar stunden später, kurz vor feierabend stehen die kartons immer noch da. mutti, sohn, hund und mister teilnahmslos sind längst verschwunden. eine kollegin des mannes, der die kartons entsorgt, berichtet ihm, dass da ein kind am späten nachmittag etwas verlegen um die kartons herumgeschlichen sei, es wären auch erwachsene in der nähe gewesen, die sich aber nicht für das kind interressiert hätten. das kind habe nett gegrüsst, sei dann aber verschwunden.
der mann schüttelt den kopf und weiss jetzt definitiv, dass die fressnapfmutti nicht mehr herausfinden wird aus ihrem in holland gekauften muster aus so und nicht anders, aus ihren blonden locken über einem kopf aus nie und auf gar keinen fall. ihr kind ist uninteressant und überhaupt ist das leben ein überflüssiges geschenk, das man für ein paar jahre ausfüllen bis vollstopfen muss, um es dann endlich hinter sich gebracht zu haben, freude ist ein konjunktiv und den rest erledigen kind und enkel später.
heute ist sonntag, auch in holland. die mutti ist wieder mit dem hund draussen, die kartons stehen im schnee, das leben macht weiter, die kinder vergraben sich mit ihren hausaufgaben und die schönen überraschungen warten auf leute, die nicht mit grabschaufel und stopschild im gepäck zur welt kommen.

schlangen nach märz

sachen nach einem umzug einlagern: kein problem. wo noch kein platz ist, muss an anderer stelle platz in anspruch genommen werden. die kartons stapeln sich im hochregallager und gut. merkwürdig wird es, wenn man das ganze zeug in den ersten wochen noch hier und da, in den folgenden monaten aber immer weniger und noch seltener besucht. natürlich lagert das alles nicht ohne grund so dermassen gut verpacktin der dunkelheit, natürlich ist dafür im moment auch nach einigem aufräumen kein platz an der stelle, wo man das schon gebrauchen könnte, nicht alles, aber, na ja, schon mindestens und ob! aber natürlich ist es auch so, dass das wegsperren nach und nach eine vergesslichkeit erzeugt, die sich am warten auf das wiederentdecken all der nun verborgenen sachen abarbeitet. man sehnt sich danach, vieles wieder auszugraben – und doch steht diesem wunsch nach über einem jahr die behauptung in der sonne, dass man das jetzt so derart lange nicht benötigt hat, da könne es doch nicht sein, dass es jetzt plötzlich nötig wird, das alles wieder zu sich zu holen und die wohnung plus atelier damit zuzurümpeln. um dem zu entgehen, gibt es nur eins: die sachen aufblasen, die man unterstellt. man baut seine eigene verschattung und nimmt den gegenargumenten des fröhlichen wiedersehens erst recht die sonne: schwebebalken, papierpresse, eigene hochregalteile, da hast du es! und mit all diesem gewicht kettet man das warten auf den tag x des auspackens an ort und stelle an. es bleibt dann nur noch die frage, wann auch dieser gefangennahme die luft ausgeht. erwartungen und hoffnung haben den hang zur geiselnahme und lösen eine kettenreaktion aus: noch mehr für etwas sorgen zu müssen, was man angefangen hat, um etwas anzufangen, um etwas anzufangen usw.. was man festhält, hat seinen preis. man hat nichts zu verlieren und gerade deshalb ist es so verführerisch, die gegenstände dort zu halten, wo man sie einst zu haben glaubte: „nah, noch näher, noch ein stück, stop, gut so!, so wollte ich es schon immer!“ um nichts zu verlieren in der verdrehten gegenständlichkeit aus einem einst so kleinen „wünsch dir was!“, verwandelt sich ein zwischenlager zur zeitkapsel, die es einem vorgaukelt, dort in der eigenen vergangenheit zu stöbern. man rennt als museumspächter durch den winter, ist sein eigener leihgeber und stellt sich in die warteschlange der gebuchten besichtigungen. damn it! nix wie raus aus diesem februar…

enjoy:

myriam holme  at  bernhard knaus fine art

schlepper auf s7

wer geld verdienen will, muss hier und da mal einen job machen, der einfach nur genau das ist: einfach. der auf den ersten blick nicht viel verlangt, aber viel will, den ganzen körper auszulaugen versucht, simpel gesagt: anstrengend ist, bitte die volle ladung den ganzen tag lang! und dann nach feierabend gehts einkaufen, noch etwas kochen, ein wenig input holen und schon liegen die füsse auf höhe hintern.
das problem ist, dass die tage zu intervallen werden, in denen man rackert und die einfachsten sachen nicht mehr gesagt bekommt. das herumrudern-und laufen macht die luke nach oben zu und lässt das hirn ruhen, das wird ganz einfach mit herumgetragen, darf mit auf die minimalradiusausflüge des immer vor sich hinarbeitenden und das war es dann auch schon. was passiert aber, wenn die leute um einen herum total nett sind in dieser umgebung, in der man sich nur noch bewegt, ohne auf kopf geschaltet ein paar sinnvolle töne von sich geben zu können, die etwas von sprache und kommunikation haben? es entsteht ein seltsames verhältnis zwischen der eigenen beklopptheit und der nicht mehr fühlbaren gegenwart der eigenen anwesenheit. man ist derart unterwegs, dass man nicht die leiseste ahnung davon hat, welchen eindruck man auf diese supernetten menschen um einen herum macht. da dies aber in einem gewissen mass zur selbsteinschätzungsfähigkeit in einem gespräch gehört, man sich doch hin und wieder nach sich selbst erkundigt im texten und zugetextet werden, rudert man tagsüber komplett im dunkeln und weiss am abend nicht mehr, was oben und unten ist im verständigungsmodus alltag. die füsse tun weh, die zehen kippen wie kleine schalthebel in den schlafmodus, der mund pfeift schon und die augen machen den laden dicht.

montags-ident.

passamt. behördengang montag 8.00 uhr. in der warteschleife mit den bunten sitzkissen döst ein typ mit schubladentief vorgeschobenem kinn, der wenig später ganz alleine, wieder wartend, seinen kiefer in richtung lächeln der mitarbeiterin schiebt, die die von ihm angeschleppten formalitäten erledigt. nummer 3, platz 4, frau fröhlich – bitte, danke! ich habe nummer 5 und darf erstmal zusehen, wie frau u. ihren grossen teebottich durch den warteraum schaukelt. die superschlanke dame verschwindet hinter einer schiebetür, um ein paar augenblicke später die tischnummer zu sein, welche für meinen miniaturzettel, dessen zahl da oben auf dem display an der wand der kleinen eingangshalle erscheint, zuständig ist. kleiner zettel, kleines anliegen. „guten morgen – wollte nur meinen neuen pass holen, das war es auch schon!“ gut gelaunt an den platz heisst aber noch lange nicht: gut gelaunt bei frau u. ankommen und ein paar momente lang über das sofort losgetretene frage-antwort-spiel hinweggrinsen. frau u. bleibt da lieber ein etwas aus nicht machen und nicht daran zu denken, sie tippt einfach nur als neutrum mit der brille in ihre tastatur, scannt ein formular, wackelt mit ihren grossen gläsern und macht sich auf die suche nach der noch grösseren gleichgültigkeit des umherschnullerns zwischen brillengestell und dem, was da draussen in ihrer behördenwelt vor ihr sitzt. einer, der was will z.b. und einer, der ein paar takte doch vielleicht sehr gerne geredet hätte so kurz nach 8 uhr, um nicht gleich wieder zurück in den schlaf nach dem schlaf zu fallen – direkt auf die tischplatte von schalter 5. frau u. gibt mir den neuen pass, tippt noch ein paar sachen fertig und verabschiedet mich mit einer verabschiedung wie aus dem gesangbuch in der hintersten reihe der kirche im hintersten ort der ältesten ausgabe aus damals und vorgestern. man kann wiedersehen sagen, indem man dieses wiedersehen einfach zwischen seinen zähnen hervorholt und über das frisch geputzte weiss fallen lässt. man kann auch gar nichts tun und dieses wiedersehen einfach fallen lassen, egal wie: hauptsache raus damit! vielleicht war es das letzte mal, dass frau u. etwas fallen lässt. sie zieht ihre jeans bis zu den knieen hoch und steigt in den tee, spielt mit der zunge am ufer der teebottichoberfläche, saugt die kleinen wellen schlürfend ans ufer und drückt die 6. der nächste bitte!