hollandsnapf

ein mann steht neben einem berg aus leeren kartons: verpackung von kinderwägen, -sitzen, -kleidern. erst fliegen die styroporteile in die extragrosse recyclingtüte, dann wandert alles plastik in einen behälter neben dem warenausgabetor, schliesslich werden die kartons zerlegt, flachgetreten und in den neben dem rolltor geparkten container geschichtet. da tauchen 3 kartons der fa. joolz auf, die – mit schnittmustern versehen – nach dem prinzip des ausschneidens gemäss einer vorgegebenen, gestrichelten linie das zusammenbauen von karktonteilen zu einem stuhl, einem vogelhaus etc. ermöglichen. die ausgeschnittenen teile werden zusammengesteckt und ergeben eine stabile konstruktion. der mann zögert. schablonen für den müll? eher nicht. die entsorgung passiert direkt nebem dem parkplatz einer fressnapf-filiale, es ist samstag nachmittag, familienkutschen rollen im sekundentakt an. warum diese kartons also nicht verschenken, eine familie ansprechen und für den rest des wochenendes bastelspass verabreichen? tatsächlich parkt ein paar augenblicke später ein weisser kombi auf dem parkplatz, aus dem frau, mann und kind, somit vielleicht mutti, papi und sohn klettern, das alles ohne hektik, der hund im kofferraumgefängnis kläfft nicht, die situation könnte unentspannter sein – das hat man auch schon anders gesehen, denkt der mann und fragt die vermeindliche mutter zusammen mit ihrem sohn, ob sie denn nicht lust hätten, also, er hätte hier etwas von dieser holländischen edelmarke zu verschenken, eigentlich ganz toll das alles, aber er müsse dies normalerweise entsorgen, na ja, wenn sie es wollten, könnte er das auch neben dem container platzieren, später abholen wäre kein problem. die mutter wirkt wenig überrascht, umso mehr aber teilnahmslos, den mann interresiert die sache erst gar nicht. „ach ja“ meint sie dann, „in holland habe ich auch schon ganz tolle sachen gekauft, da gibt es wirklich schöne sachen zu kaufen“. dass es im moment aber weder ums kaufen noch um erfolgserlebnisse der mutter geht, scheint hier niemand zu verstehen. der sohn kriecht langsam aus der ersten überrumpelung und sieht sich die kartons näher an. er sagt zunächst kein wort, traut sich dann aber doch, etwas zu sa-… und schon ist mutti da mit ihren einwänden aus: gerade jetzt etwas ungünstig und wir wollten erst mit dem hund eine stunde laufen und überhaupt. die unterhaltung endet in der abmachung, dass die kartons neben dem container bleiben und später abgeholt werden, vielleicht, zumindest und wenn nicht alle dann vielleicht das vogelhaus, es müssen ja nicht alle sein, das vogelhaus wäre doch aber schon ganz schön, auf alle fälle kö-… und da ist sie wieder, die chefin der abteilung einwände.
ein paar stunden später, kurz vor feierabend stehen die kartons immer noch da. mutti, sohn, hund und mister teilnahmslos sind längst verschwunden. eine kollegin des mannes, der die kartons entsorgt, berichtet ihm, dass da ein kind am späten nachmittag etwas verlegen um die kartons herumgeschlichen sei, es wären auch erwachsene in der nähe gewesen, die sich aber nicht für das kind interressiert hätten. das kind habe nett gegrüsst, sei dann aber verschwunden.
der mann schüttelt den kopf und weiss jetzt definitiv, dass die fressnapfmutti nicht mehr herausfinden wird aus ihrem in holland gekauften muster aus so und nicht anders, aus ihren blonden locken über einem kopf aus nie und auf gar keinen fall. ihr kind ist uninteressant und überhaupt ist das leben ein überflüssiges geschenk, das man für ein paar jahre ausfüllen bis vollstopfen muss, um es dann endlich hinter sich gebracht zu haben, freude ist ein konjunktiv und den rest erledigen kind und enkel später.
heute ist sonntag, auch in holland. die mutti ist wieder mit dem hund draussen, die kartons stehen im schnee, das leben macht weiter, die kinder vergraben sich mit ihren hausaufgaben und die schönen überraschungen warten auf leute, die nicht mit grabschaufel und stopschild im gepäck zur welt kommen.